/// Das langen brennende Mikro des 7. Berliner Hörspielfestival 2016 geht an:
Busch_Draussen im Watt_Trailer
„Draussen im Watt leg ich dich hin“ von Dominik Busch. Regie: Sophie Stierle. Musik: Peter Sigrist und Dominik Busch. Mit: Anna-Katharina Müller, Adrian Furrer und Urs Stämpfli.
Dominik Busch konnte leider nicht zum BHF kommen, da zeitgleich sein Hörspiel am Luzerner Theater Live aufgeführt wurde. Dafür hat er am Vormittag Robert Schoen im Skype-Interview seine Tiki-Taka-Schreibweise erklärt.
Die Begründung der Jury
Als zeitbasiertes Medium kennt das Hörspiel nur eine Richtung: die Linearität von Anfang bis zum Ende. Die Bewegungsrichtung des Meeres ist eine doppelte: das Hin und Her von Ebbe und Flut – man könnte es zyklisch nennen. Die Bewegungsrichtungen, die das auszuzeichnende Hörspiel durchziehen, sind komplexer. „Schneckenförmig winden sich die Kalendertage um eine unsichtbare Mitte“, lautet eine Kapitelüberschrift des Textes, eine andere „Wie Bienen um ein Flugloch“, eine dritte „Der behaglich kreisenden Acht seines Bauchnabels folgen“.
Die Geschichte handelt von Anna, Max und Tom. Einer schwangere Frau, die an einer seltenen Krebsart sterben wird, ihrem Mann, einem Chefarzt, der ihr mitten im Wattenmeer durch einen erweiterten Selbstmord die Schmerzen ersparen will, und einem verwitweten Umweltaktivisten, der vor Gericht scheitert, und deshalb den Freitod wählt oder zumindest wählen will.
Erzählt werden die Geschichten der drei Figuren mit der unaufhaltsamen Dramaturgie einer Flutwelle, deren Gewalt zunächst kaum die Wasseroberfläche kräuselt, aber unentrinnbar für jeden ist, der sich ihr zu lange aussetzt. Die tragische Grundbewegung, die die Figuren ins Wattenmeer hinauszieht, wird paradoxerweise durch die gegenläufige Flut-Bewegung hin zum Land wieder ins Gleichgewicht gebracht. Im Moment des Umschlags zwischen den Gezeiten der Figurenschicksale vollzieht sich eine ebenso hochdramatische wie hochkomische Szene als Max den zum Selbstmord entschlossenen Tom anfleht, mit dem Handy Hilfe zu rufen. Aber wer nimmt schon ein Handy mit, wenn er sich das Leben nehmen will …
Erzählt werden die Geschichten der Drei mit Mitteln, die eher literarisch als szenisch-dramatisch sind. Da springen die Sätze zwischen den Figuren hin und her, ohne dass man zuordnen könnte, wer von wo aus mit wem spricht. Da wechseln die Erzählerpositionen zwischen den Figuren und springen vom Du der Ansprache zum Du des Selbstgesprächs und schließlich zum Du des Gesprächs. Ja sogar in die Position eines allwissenden Erzählers, der den Figuren, von denen er erzählt, Glück wünscht, wird besetzt.
Ist der Erzähler sonst im Hörspiel oft ein Notbehelf, der Informationen liefern oder die Handlung vorantreiben muss, so ist er hier integraler Bestandteil eines Stückes, das seine Faszination aus den Achssprüngen seiner multiperspektivischen Erzählweise bezieht. Der feinfühlige und zurückhaltende Einsatz von Musik und Sounddesign vervollständigt die gelungene Produktion.
Die Jury: Elke Heinemann, Andreas Bick, Jochen Meißner, Tom Heithoff.
https://soundcloud.com/user2928732/busch-dominik-2015-draussen-im-watt-leg-ich-dich-hin-4152
Am dritten Tag des Festival wurden die letzten beiden Stücke, die für /// Das lange brennende Mikro nominiert waren. vorgestellt.
Noah Sow war leider nicht beim BHF, so standen ihre Parodien auf vier verschiedene Radioformate – das „Radio Monokultur“, die Jugendwelle „Hitradio SickFM“, der freie „Rundfunk alternatives Forum (RAF)“ und „Radio Chauvi“ für sich. Das Publikum hat sich amüsiert. Hier kann man ihr „Radio Meta“ nachhören. | |
Familiengeschichten sind manchmal etwas länger. Titel auch. Inés Burdow nennt ihr vielschichtiges 30-minütiges Stück „Aber trotzdem, trotzdem, der Vater war mir immer der Vater. Väter uns Söhne – Feature zu einem Zitat von Franz Kafka.“ Eines über Mütter und Töchter gibt es auch. Für dessen Titel ist hier leider kein Platz. |
One thought on “7. BHF Das war der dritte Tag 1 /// Das lange brennende Mikro”
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