Mit zwei Langhörspielen und 10 Kurzhörspielen (bis 5 Minuten Länge) ging am Sonntag das 6. Berliner Hörspielfestival zu Ende. Wir bedanken uns bei allen Hörspielmachern und -macherinnen und bei unserem Publikum, das drei Tage lang den Theaterdiscounter prall gefüllt hat. Das war super und hat uns allen viel Spaß gemacht. Britta Steffenhagen führte durch den Abend, an dem der Publikumspreis für Kurzhörspiele bis 5 Minuten und der Jurypreis vergeben wurde.
Wie eine Flipperkugel wird der Hörer durch das Hörspiel Paul Browski und die Monotonie des Yeh Yeh Yeh von Christian Berner und Frank Schültge geschossen, während der Neuköllner Privatdetektiv Paul Browski durch Raum und Zeit taumelt.
Einen ganz anderen Flow hatte Nordlichter – Ein Hörspiel in Mono(tonie)von Christina Baron. In einer Welt von der die Menschen plötzlich alle verschwunden sind, sendet sie in den leeren Äther. So wie schon anno 1938 in Orson Welles Hörspiel “The War of the Worlds” ein Überlebender der Invasion der Marsianer fragte: “Isn’t there anyone on the air?”
///Das glühende Knopfmikro
Mit 64 Punkten ging der der Publikumspreis /// Das glühende Knopfmikro für Hörstück bis 5 Minuten Länge an Ulrike Klausmann für maimainundwaig: „verloren sein im trauten unheimlichen heim verlorene heimat im mondschein“. (Hier die Nominierten)
Mit 46 Punkten landete Caroline Burgwalds Stück Hinfallen und Aufstehen auf Platz Zwei und Peter Komarowskis Hörtrash Kaputt. Lustig. mit 41 Punkten auf Platz Drei.
Britta Steffenhagen im Gespräch mit Marilyn Janssen über die lange Entstehungsgeschichte ihres Hörspiel sommergras (1995-2014).
///Das lange brennende Mikro
Der Jurypreis des 6. Berliner Hörspielfestival ging an La Vie en rose Vom Leben und Überleben in Paris von Tom Heithoff. Damit war Heithoff schon zum zweiten Mal erfolgreich. Mit seinem Hörspiel Hundelebensberatung hatte er schon das 2. Berliner Hörspielfestival 2009 gewonnen.
Die Begründung der Jury:
“Die Übel“, steht als Motto über Tom Heithoffs Website: „die Übel bleiben doch immer unter ihren Möglichkeiten.“ Ein Motto, das auch die Existenz der Figur beschreibt, die in seinem 8-teiligen Hörspiel „La vie en rose – Vom Leben und Überleben in Paris“ porträtiert wird. Aber porträtiert wäre schon das falsche Wort, denn der Sprecher, dem wir 40 Minuten lang zuhören, ist weder der Gegenstand dieses Hörspiels, noch ist er eine Erfindung des Autors. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes sein Protagonist. Denn Lorenz Eberle, so heißt die namenlose Hauptfigur, gibt es wirklich und es ist nicht das erste Mal, dass er in einem Hörspiel von Tom Heithoff auftaucht. Dadurch dass er hier aber selbst in seine eigene Rolle schlüpft, verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion.
Wir hören einer Person zu, die den Kopf in den Wolken hat, und ihn sich doch permanent an der zu niedrigen Decke seines winzigen Appartements stößt. Einer dem mindestens einmal im Jahr das Mobiltelefon und/oder die Kreditkarte geklaut werden, und der trotzdem der Polizei vorsätzlich nur „sehr abstrakte“ Täterbeschreibungen liefert.
Er ist einer, der seit zwanzig Jahren nicht eigentlich in, sondern gegen Paris lebt. Gegen die miesen Wohnverhältnisse, gegen den Verkehrsinfarkt, gegen die autoritäre Arbeitskultur und nicht zuletzt gegen die völlig überschätze französische Esskultur. Lorenz Eberle spielt einen jener Beleidigten und Erniedrigten, der trotz allem wild entschlossen sind, die Welt in rosarot zu sehen. Das ist einerseits umwerfend komisch und andererseits auch ziemlich traurig.
Tom Heithoffs Hörspiel ist – dann doch – ein atmosphärisch dichtes Porträt geworden. Ein Doppelporträt. Einerseits eine Liebeserklärung an den begnadeten Radioperformer Lorenz Eberle und andererseits ein Porträt der Stadt Paris, die zwar kein freundlicher Ort ist, aber wenigstens unter ihren üblen Möglichkeiten bleibt.
Dafür vielen Dank, Tom Heithoff.
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