/\ Das zündende Mikro
Der Förderpreis des BHF e. V. ist mit der Produktion eines neuen Hörstücks im Studio für Elektroakustische Musik der Akademie der Künste Berlin, einem Produktionskostenzuschuss in Höhe von € 300 und einer radiohistorischen Trophäe aus den Beständen des legendären „Funkerberg“-Museums dotiert.
Gewinnerin 2022 |
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Der Förderpreis /\ Das zündende Mikro geht in diesem Jahr an Sarah Lena Steinhauser für ihr Erstlingswerk „Mohnrot“. Mit dem zweiten Platz würdigen wir lobend das minimalistische Sprachspiel „patterns for benches“ der bildenden Künstlerin und Hörspielmacherin Hye Young Sin, das sich unter seiner Oberfläche mit Exklusionsstrategien im Städtebau auseinandersetzt.
Die Laudatio auf das Gewinnerstück „Mohnrot“ von Sarah Lena Steinhauser: „Es war einmal ein warmer Tag. Ich lief einen einsamen Weg am Feld entlang. Ich erinnere mich an rote Mohnblumen zwischen dem Korn.“ Mit diesen Worten beginnt das Hörspiel „Mohnrot“ von Sarah Lena Steinhauser – in dem es später heißt: „Dreh dich nicht um, dann passiert dir nichts. Sarah, Du brichst dieses Erzählverbot und schilderst mit atemberaubender Eindringlichkeit die Innensicht einer versehrten Seele: Bewusstseinsströme eines Missbrauchsopfers, die uns überwältigt haben. Es ist ergreifend, wie intim und sensibel uns Deine Sprecherin Ilina Schkolnik in drei kunstvoll akustisch abgesetzten Erzählebenen die traumatischen Erinnerungen, die zwangsneurotischen Verhaltensweisen und den Entgrenzungsversuch einer Traumatisierten mit den Stilmitteln der Wiederholung und der Abbrüche nahebringt. Das Rot des Mohns auf dem Feld, in Deinem Hörspiel zugleich konkreter Ort und Metapher des Schmerzes, erinnert uns an die Verletzlichkeit, die Emil Noldes Mohnblumenbildern innewohnt. Dein Monolog erinnert in seiner allmählichen Entblätterung einer zerrütteten Psyche aber auch an den „Monolog der Terry Jo“ von Max Bense und Ludwig Harig, einen Meilenstein der akustischen Traumaverarbeitung, der bei Dir ein Fortleben mit anderen Stilmitteln findet. Dein Ich legt sich in „Mohnrot“ zwischen die Gleise, um vom Zug überfahren zu werden – doch nicht, um zu sterben, sondern um zu leben, zu überleben, um überhaupt wieder zu fühlen, als Notausgang aus dem Gefängnis des Erlebten. Wir haben daran Teil, ganz unmittelbar – nein: immersiv. Denn Dein Stück ist in 3-D-Audio produziert. Damit gehst Du auch tontechnisch zukunftsweisende Wege, um Innenwelt wortwörtlich spürbar zu machen. Wie es am Ende von „Mohnrot“ heißt: „Ich spüre mein Herz. Es schlägt. Mich. Von innen.“ Dein Erstlingswerk geht mitten rein. Es schlägt auch uns – von innen. Damit hast Du uns überzeugt, dass Du eine geniale Debütantin bist! Vielen Dank, dass Du erzählt hast. Wir sind gespannt, was Du uns noch erzählen wirst. Herzlichen Glückwunsch zum „Zündenden Mikro“ 2022! Der Berliner Hörspielfestival e.V. |
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Gewinnerin 2021 | |
Annedore Bauer hat 2021 mit ihrem Hörspiel „Die Unantastbaren“ /\ Das zündende Mikro gewonnen. „Irmi, geboren 2023“ ist ihr neues Stück, das sie mit dem Förderpreis produziert hat.
Präsentation und Gespräch: Fr, 2. September, 15.00 Uhr, AdK, Buchengarten Annedore Bauer: Irmi, geboren 1923 / 30.57 Dokufiktionales Hörspiel Irmis Freundin Ruth wird verlegt, angeblich in ein besseres Heim. „Dort schauen sie, ob deine Anfälle doch noch weggehen“, sagt die Schwester, „dann kommst du zurück und wieder hierher“. Aber Irmi sieht die geliebte Freundin nie wieder. Erst Jahrzehnte später, kurz vor Irmis Tod, machen die Erzählerin und ihre Oma sich auf die Spur eines nie aufgearbeiteten Schicksals. Schicht um Schicht legen sie frei, was damals geschehen ist. Regie: Katharina Bihler und die Autorin Ausstrahlung im Deutschlandfunk Kultur: Mi, 14. September 2022, 22.03 – 23.00 Uhr |
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Die Nominierten 2022
Debüthörstücke (#DZM) in alphabetischer Reihenfolge. |
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Reiner Delgado: Schon grün? / 1.00 Ein blinder Mann hat sich auf einer stark befahrenen Straßenkreuzung verlaufen. Eine Frau versucht, ihm aus dem Autofenster mit Rufen zu helfen. Dann wird es schon grün, und sie fährt weiter. |
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Moritz Hanfgarn: Eine Landschaft der geneigten Köpfe / 13:01 Welche Arten von Stille gibt es? Und was hat das mit Baumärkten und Wahrscheinlichkeitsrechnung zu tun? Und vor allem: Ist Stille das Geräusch der Depression? Auf diese und andere Fragen findet das Hörspiel “Eine Landschaft der geneigten Köpfe” keinerlei Antworten, weil es sich dafür viel zu viel Mühe gibt, sich selbst immer wieder in Widersprüche um das Phänomen Stille zu verstricken. |
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Leonie Jenning: Endstation Deutsche Sehnsucht / 58:50 Vor einiger Zeit hat ein Berliner Sender die Aktion: „Kommt Zeit. Dreht Rad. Pflanzt Baum.“ ins Leben gerufen. Bei eine Naturtombola auf dem Waldsieversdorfer Jägerfest haben sechs TeilnehmerInnen eine Waldtour durch den Strausberger Forst gewonnen. Ein Volontär vom Radio wird die Gruppe bei ihrer Expedition begleiten, aber wer soll später einem Mitschnitt glauben, der versucht, realistisch zu dokumentieren, wie ihnen da draußen die Realität vollkommen abhanden kommt. |
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Katharina Lang, Freya Siewert: Die weiße Stadt am Meer / 19:41 Drei Freunde wachsen in den 1990er Jahren in Mecklenburg auf, wo sie „rechts wie alle“ sind. Es ist eine Zeit, in der sich in Ostdeutschland sehr viele Jugendliche radikalisieren und mit rechtem Gedankengut identifizieren. Während sich einer der drei Freunde dem Nationalsozialistischen Untergrund anschließt, versuchen die anderen zwei, diese Phase hinter sich zu lassen. Doch die Vergangenheit holt sie immer wieder ein. |
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Janette Mickan (Lunatiks): Blühende Randschaften * Stahl / 57:34 Das Stahl- und Walzwerk Brandenburg war einst der größte Rohstahlproduzent der DDR. Nach der Wende dann der typische Verlauf: Verkauf durch die Treuhand und Entlassungswelle. Ein Teil des Werkes wird endgültig stillgelegt. In einer unbestimmten Zukunft macht sich der Simulationstester Ulf Sennhausen in der Singularität M.Ü.M.Y. auf den Weg, diese Zeit des Umbruchs zu erforschen. Er findet eine Familiengeschichte, die ihn mehr in ihren Bann zieht, als ihm lieb ist. |
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Esther Nicklas: Der Mensch im Überfluss / 04:18 Zwei Herren in einem veganen Restaurant. Rudolph schmeckt es. Thorben will sich abschaffen. Totalökologisch. Aber das ist noch lange nicht alles. Die totale Ökologie nimmt ihren Lauf und verfängt sich nicht nur in Thorbens Vorhaben. Auch die Freundschaft der beiden Männer gerät ins Wanken. Und immer dabei das Wildalp. Wohin das führt? Wohlmöglich in die Katastrophe. |
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Rafael Simmann, Mareike Färber, Charlotte Wendt: Wie sagen wir Angst / 19:00 Die Wahrnehmung von Gefühlen ist eine grundlegend menschliche Eigenschaft und dennoch sehr subjektiv und individuell. Der einen Person fremd, können sie das Leben einer anderen Person stark beeinflussen. Basierend auf realen Erfahrungsberichten, beginnt eine immersive, akustische Wahrnehmungsreise durch den von Angstgefühlen geprägten Alltag der Protagonistin. Ziel ist die Förderung offener Kommunikation und Empathie in Bezug auf Eigen- und Fremdwahrnehmung. |
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Hye Young Sin: patterns for benches / 07:09 #KBM This project explores how urban public space builds up its environment by excluding marginalized groups shown in devices of urban furniture. The current architectural adoption is surprisingly slight, implicit, banal to be unobserved and acceptable for citizens. However, it plays a critical role to define who can use public space and to whom it belongs. By observing and describing, it deals with how those are built up and the arrangement is made for exclusion. |
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Sarah-Lena Steinhauser: Mohnrot / 09:46 Gefangen zwischen den Störgeräuschen der Vergangenheit und den Zwangsgedanken der Gegenwart. Gesucht wird ein Ausweg in die Freiheit. Ein Leben frei von Zwang. Frei von Angst. Der Ausweg soll eine Mutprobe sein. Eine Frau zurrt sich zwischen den Gleisen fest. Sie konfrontiert sich mit dem Ungetüm aus Metall, das unbarmherzig über die Gleise rattert. Gleich dem Zug ihrer Gedanken und Erinnerungen. Über sie hinweg. Eine Frau legt sich auf die Gleise, um zu überleben. |
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David Westphal: Substanz / 11:19 Atmosphären aus einer unerklärlichen Faszination für den Begriff Substanz. |
Texte der Autor:innen. Alle Visuals von Josef Maria Schäfers.