Der dritte und letzte Tag des 5. Berliner Hörspielfestivals war wesentlich entspannter als die vorhergehenden. 25 kürzeste, kurze und lange Hörspiele waren schon gehört, blieben noch zwei aus dem Wettbewerb um /// Das lange brennende Mikro. Dann wurde der Jurypreis verliehen und die Preisträgerstücke aus allen drei Kategorien wurden noch einmal vorgespielt. Alle Preisträger, die Jurybegründungen und lobenden Erwähnungen findet man hier.
Los ging es mit Albrecht Pankins Hörspiel „Abenteuer Frieden“, einer rotzfrechen Mischung als Beziehungstherapie und Gesellschaftskritik untermalt von selbstkomponierten und selbstgesungenen Liedern von bezaubernder Beklopptheit.
Dann folgte Sebastian Hockes Hörspiel„Dein Leben als Event“, das aus einer großen Hassliebe seiner Heimatstadt entstanden ist: Brandenburg, seit Jahrhunderten Hauptstadt aller Gedemütigten und Erniedrigten. Koautor Andrej Tschitschil stand Rede und Antwort zum im Auftrag des Vereins Lauschkultur entschendenen Stückes, in dem ein hilfloser Reporter auf die brandenburgischen Sturschädel trifft, die partout keine 100.000 Euro gewinnen wollen, wenn sie dafür Ihre Lebensgeschichte ans Privatradio verkaufen müssen.
Intermezzo: Tobias Dutschke überzeugte mit einer rasanten Verbalperformance über die Hohlweltentheorie. Unter anderem Adolf Hitler und Rudolf Steiner bewohnen die Innenseite der Erde und machen sich wegen des Ozonlochs über den Polen Sorgen um den Fortbestand ihrer Welt.
Bevor es dann zur Preisverleihung ging, nahm Hörspiel-und Featuremacher Giuseppe Maio, der den Abend auch souverän moderierte, die Hörspielsounds aus den Smartphones auf, die ihm aus dem hörspielaffinen Publikum entgegenreckt wurde. Das erste Berliner Hörspielfestival-Readymadehörspiel klingt so:
5. BHF 2013 Hörspiel-Readymade ▶ custom player
Bevor es zur Preisverleihung kommen konnte, lauschte der Juryvorsitzende Jochen Meißner verzweifelt der Aufnahme vom Todeskampf eines brennenden Mikrophons, das von dem französischen Künstler Matthieu Saladin angezündet worden war.
Und dann war es soweit:
///Das lange brennende Mikro
ging an:
Iranian Voices – Republik der Verrückten von Oliver Kontny
Die Begründung der Jury:
Die literarischen, dokumentarischen und musikalischen Elemente, die sich Oliver Kontnys Hörspiel „Iranian Voices – Republik der Verrückten“ zu einer radiophonen Gesamtkomposition vereinigen, würden schon für sich alleine gesehen Stoff für ein Hörspiel, ein Feature und ein Klangkunststück ergeben. Die altpersische Liebesgeschichte von Laila und Madjnun lässt sich mühelos an gegenwärtige Liebes- und Genderdiskurse anschließen. Die Nachrichten aus der misogynen und homophoben Welt der verrückten islamischen Republik Iran befeuern die politischen Diskussionen um Freiheit und Emanzipation aus islamistischen oder anderen Diktaturen. Die Musik des Gitarristen und Komponisten Marc Sinan schließlich erfüllt nie eine nur folkloristisch-illustrative Funktion, sondern ist hörbar von Einflüssen der Neuen Musik und (in ihren vokalen Passagen) des Free-Jazz geprägt. Die Sprechhaltungen der Stimmen in „Iranian Voices“ variieren: vom kühl-sarkastischen Konstatieren staatlich sanktionierter Grausamkeiten bis hin zu chorischer Hysterie bei ihrer Verteidigung in einer Gerichtsverhandlung. Insgesamt ergibt sich ein formal wie inhaltlich ungemein reichhaltiges Stück und eine – trotz des teilweise bedrückenden Themas – lustvolle Überforderung des Hörers, der bei jedem Hören neue Dimensionen des ebenso literarischen wie realitätsgesättigten Stückes entdecken wird.